Marc Surer: Wie eine Sportwagen-Freundschaft die F1-Rivalität besiegte (2024)

(Motorsport-Total.com) - Die Formel 1 wird normalerweise nicht mit Selbstlosigkeit in Verbindung gebracht. Doch die Geste, die Manfred Winkelhock im Qualifying zum Großen Preis von Südafrika 1984 gegenüber einem Fahrer eines rivalisierenden Teams machte, mit dem er schon oft im Sportwagen zusammengearbeitet hatte, unterstreicht, warum er für Marc Surer der liebste Teamkollege war

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Surer und Winkelhock blieben auch als Rivalen in der Formel 1 Freunde Zoom

Viel wichtiger als die Ergebnisse, die Surer in seiner Partnerschaft mit Manfred Winkelhock zwischen 1977 und 1985 erzielte, ist die Freundschaft, die ihn mit seinem deutschen Kollegen verband. Der verstorbene ältere Bruder des nicht minder spektakulären Joachim "Smokin' Jo" Winkelhock fuhr mit Surer bei Langstreckenrennen für BMW, Ford und Porsche. Zusammen schlugen sie 1985 beim verkürzten Rennen zur Langstrecken-Weltmeisterschaft in Monza mit einem von Kremer privat eingesetzten Porsche 956 die Werksteams.

Die beiden waren auch Teamkollegen in der europäischen Formel 2 und Rivalen in der Formel 1, was aber nichts an ihrer kongenialen Beziehung änderte. Dass der 1985 verstorbene Winkelhock Surers liebster Teamkollege wurde, stand für den Schweizer deshalb nie zur Debatte.

"Wir haben uns sehr schnell angefreundet", erinnert sich Surer an seine erste Begegnung mit Winkelhock im Jahr 1977. Zusammen mit Eddie Cheever bildeten sie das legendäre BMW-Junior-Team.

Kennenlernen im BMW-Junior-Team

Gemeinsam gewannen Surer und Winkelhock die 2,0-Liter-Klasse beim 1000-Kilometer-Rennen auf dem Nürburgring, das zur Marken-Weltmeisterschaft zählte. Da der aufstrebende Surer damals in der Nähe von Stuttgart wohnte, wo Winkelhock in Waiblingen aufgewachsen war, trafen sie sich häufig. Das setzte sich fort, als sie ab 1982 in der Formel 1 gegeneinander antraten.

"Wir sind abends zusammen ausgegangen, haben also auch privat Zeit miteinander verbracht, und manchmal haben wir auch an der Rennstrecke zu Abend gegessen, wenn wir keine Sponsorentermine hatten", sagt Surer, der einräumt, dass Winkelhock nach der Geburt seines Sohnes Markus 1980 "eher ein Familienmensch" war. "Aber trotzdem", fügt er hinzu, "hatten wir viele Gemeinsamkeiten. Wir hatten viel Spaß."

Beide Fahrer stiegen 1978 mit dem March-BMW-Werksteam in die Formel 2 ein. Doch im Gegensatz zum Formel-3-Absolventen Surer war Winkelhock ein Neuling im Formelauto und bekam 1979 keine zweite volle Saison. Surer hingegen gewann den Titel und gab anschließend bei Ensign sein Debüt in der Formel 1.

Ähnlicher Fahrstil, aber ein deutlicher Unterschied

"Er hatte keine Erfahrung mit Formelautos und übersteuerte immer", sagt Surer. Doch im Tourenwagen ergänzten sich die beiden gut. Winkelhock war "weniger sensibel, was die Abstimmung des Autos anging, er konnte mit dem Auto fahren, das nicht perfekt war", sagt Surer.

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"Selbst wenn ich sagte: 'Komm, wir haben zu viel Übersteuern, so kann ich das Auto nicht fahren', ging er raus und fuhr trotzdem eine gute Zeit", bemerkt Surer bewundernd. "Er fuhr einfach über die Probleme hinweg, was ich manchmal nicht konnte. Er hat das Auto einfach durch die Kurven gezwungen. Wir konnten immer mit dem gleichen Set-up leben, wir hatten nie ein Problem zu sagen, ich kann nicht so fahren, wie er es eingestellt hat. Wir waren uns sehr ähnlich."

Surers Formel-1-Karriere kam nur schleppend in Gang, nachdem er sich beim Training für den Großen Preis von Südafrika 1980 mit ATS beide Knöchel gebrochen hatte. Er kehrte 1981 zu Ensign zurück, fuhr zweimal in die Punkteränge, wechselte Mitte des Jahres zu Theodore und landete 1982 bei Arrows, während Winkelhock zu ATS wechselte. Im selben Jahr arbeiteten sie gemeinsam am Ford C100-Programm für die Spotwagen-WM.

Legendäre Blockade-Taktik im nassen Brands Hatch

Die von Zakspeed eingesetzten Fords waren oft unzuverlässig und schieden in Le Mans innerhalb von vier Runden wegen Überhitzungsproblemen aus, doch beim Saisonfinale in Brands Hatch sicherten sie sich dank gut getimter Runden bei wechselhaften Bedingungen die erste Startreihe.

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Surer fuhr mit seinem Teamkollegen Klaus Ludwig auf Intermediates auf die Poleposition, während Winkelhock mit Klaus Niedzwiedz auf Goodyear-Qualifying-Slicks Zweiter wurde. Doch ihr Anteil an einem Rennen, das durch die furiose Aufholjagd von Jacky Ickx in die Geschichte einging, war nur noch eine Fußnote, nachdem "wir uns leicht berührt hatten" und Winkelhock in die Leitplanke krachte.

"Es durfte immer der Fahrer den Start fahren, der im Training die schnellste Zeit gefahren war", erinnert sich Surer. "Peter Ashcroft von Ford kam zu uns und sagte: 'Die BBC überträgt das Rennen live im Fernsehen, könnt ihr versuchen, in der ersten Runde als Erster und Zweiter zu fahren? Könnt ihr zusammen überlegen, wie ihr euch gegenseitig helfen könnt?' Und wir sagten: 'Okay, bei Manfred weiß ich, dass das überhaupt kein Problem ist.'"

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Marc Surer und Manfred Winkelhock im Parallelflug beim WEC-Rennen in Brands Hatch 1982 Zoom

"Vor dem Rennen fing es an zu regnen und ich sagte: 'Was machen wir jetzt? Im Regen ist es unberechenbar.' Und dann hatte Manfred die Idee und sagte: 'Wenn wir nebeneinander fahren, kann uns keiner überholen', und das haben wir gemacht!"

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"Es war immer einer auf der Außenseite der Kurve, der die bessere Linie hatte, denn auf der Innenseite war es rutschiger und enger, also musste der auf der Außenseite ein wenig abbremsen, um nebeneinander zu bleiben, und das taten wir beide. Das klappte so gut, dass wir immer noch in Führung lagen, also fuhren wir noch eine Runde und noch eine Runde und der Regen wurde immer stärker."

Doch die Ford-Piloten hatten es nicht leicht, denn immer wieder tauchte Hans-Joachim Stuck im Sauber-BMW im Rückspiegel auf. Quentin Spurring von Autosport schrieb: "Stucks Aufholjagd ging weiter, und in der fünften Runde war er an den Fords dran, die wieder Seite an Seite aus Surtees herauskamen und in Richtung Pilgrims Drop fuhren. In der Kurve kurz nach der Geraden verlor Surer seinen C100, sein Auto küsste das von Winkelhock und Manfred fand sich plötzlich im Gras wieder und steuerte auf die Leitplanke zu."

Winkelhock zieht Surer im Kaylami-Qualifying

Ohne seinen Tanzpartner konnte Surer Stuck nicht aufhalten, der ab der sechsten Runde die Führung übernahm. Bei immer stärker werdendem Regen und aufgrund einer beschädigten Leitplanke wurde das Rennen nach neun Runden abgebrochen. Für den Neustart auf abtrocknender Strecke stieg Winkelhock in das Auto von Surer/Ludwig, das aber nicht mehr konkurrenzfähig war. Surer drehte sich in der Paddock Bend und verlor anschließend wegen einer Fehlzündung drei Minuten an der Box, bevor er als Fünfter ins Ziel kam.

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"Wir haben uns wegen Aquaplaning berührt", sagte Surer. "Es war wirklich schwierig, bei diesen Bedingungen die Leistung auf die Straße zu bringen, und so ist es passiert. Aber es gab keine gegenseitigen Vorwürfe."

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Manfred Winkelhock half seinem Rivalen Surer im Qualifying von Kyalami 1984 Zoom

Sie mussten bis 1985 warten, bevor sie wieder als Teamkollegen antraten, aber Surer verriet, dass sie ihre Zusammenarbeit in der Formel 1 informell fortgesetzt hatten. Einen besonderen Moment gab es dabei im Qualifying für den Großen Preis von Südafrika 1984. ATS verfügte ab 1983 über BMW-Turbomotoren, während Arrows noch bis weit in die nächste Saison hinein zusammen mit Tyrrell zu der schwindenden Gruppe von Teams gehörte, die den in die Jahre gekommenen Cosworth DFV verwendeten.

In den Höhenlagen von Kyalami waren die Autos mit normalem Ansaugsystem "ohne den Turbo so verloren", dass Surer nach einer Lösung suchte, die aus der Reihe tanzte. Er bat Winkelhock, ihn im Qualifying Windschatten zu geben, und der ATS-Mann stimmte zu.

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"Er sagte: 'Du fährst eine Runde, nachdem ich meine schnelle Runde gefahren bin, und wenn ich meine schnelle Runde beendet habe, fahre ich eine zusätzliche Runde und ich geben dir Windschatten'", lacht Surer. "Und ich war der schnellste von diesen vier Fahrern mit [den Tyrrell-Fahrern Stefan] Bellof und [Martin] Brundle, weil ich diesen Windschatten von Manfred bekam!"

Da Surer 1985 nicht in der Formel 1 fahren konnte, nahm er zusammen mit Winkelhock in einem 956 von Kremer Racing an der WEC teil. Nach dem zweiten Platz beim Auftaktrennen in Mugello gewannen sie das berühmte Rennen in Monza, als ein von einem Orkan umgestürzter Baum die Strecke in der Lesmo-Kurve blockierte, woraufhin das Rennen 34 Runden vor Schluss abgebrochen wurde. Der erste Gruppe-C-Sieg von Kremer war etwas glücklich, da das Auto aufgrund eines frühen zweiten Stopps, der durch einen Kontakt mit dem Lancia von Mauro Baldi ausgelöst wurde, nicht mehr synchron mit den anderen Autos fuhr.

Letzter gemeinsamer Triumph in Monza

"Das war ein Geschenk", gibt Surer zu, der kurz vor dem Abbruch seinen letzten Stopp gemacht hatte. Doch er ist sich sicher: "Wäre das Rennen zu Ende gegangen, hätten wir am Ende eine Chance gehabt." Eine bittersüße Erinnerung, wenn man bedenkt, was wenige Monate später geschah.

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Surer und Winkelhock gewannnen im Kremer-Porsche das WEC-Rennen in Monza 1985 Zoom

Nach dem vierten Platz in Silverstone verpassten sowohl Winkelhock als auch Surer Le Mans, weil sie in Montreal in der Formel 1 an den Start gingen. Winkelhock wechselte anschließend zu RAM, während Surer für den enttäuschenden Francois Hesnault bei Brabham anheuerte. Als die beiden in Hockenheim wieder zusammen in der WEC antraten, erlitt ihr 956 ein Treibstoffleck, das nur wenige Stunden nach einem Vorfall im Porsche-Werksteam zu einem weiteren dramatischen Boxenbrand führte. Doch was in Mosport folgte, war noch viel schlimmer.

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Winkelhock verletzte sich schwer, als sein Auto wegen eines Reifenschadens in der schnellen Linkskurve 2 von der Strecke abkam und verunfallte. Surer begleitete seinen Freund ins Krankenhaus nach Toronto, doch dort konnte nichts mehr getan werden. Winkelhock erlag am nächsten Tag seinen Kopfverletzungen. Es blieb Surer vorbehalten, seiner Frau und seinem Manager die traurige Nachricht zu überbringen.

"Selbst jetzt, wenn ich daran denke, ist es schrecklich", sagt er. Dennoch hat Surer gute Erinnerungen an Winkelhock und beschreibt die Freundschaft als einzigartig. "Vielleicht gab es das auch mit anderen Fahrern", fügt er hinzu, "aber es war etwas ganz Besonderes. Selbst wenn wir gegeneinander kämpften, war das nie ein Problem, weil man sich auf den anderen verlassen konnte."

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Author: Mrs. Angelic Larkin

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